Auf Entdeckungsreise in der Kirche
Die Kirche mit unterschiedlichen Stilelementen aus Gotik, Barock und Klassizismus ist nach dem Wiederaufbau besonders durch die Barockzeit geprägt. Dies wird deutlich durch die barocke Turmhaube, die beiden Haupteingänge und die Innengestaltung um 1730.
Das Kanzelhäuschen zeigt die Inschrift: „Siehe mein Knecht wird sehr hoch erhaben sein” (bezogen auf den Gottesknecht bei Jesaja 9, Schreibweise von 1730). Fensterläden zum Schieben mit Butzenscheiben. Mit Blattgold und Schnitzereien sind die Kanzel und der Kanzeldeckel verziert.
Die Holzsäulen sind marmoriert, sie zeigen eine spezielle Malweise um Marmor vorzutäuschen (Bauernbarock).
Der Taufstein besteht aus drei verschiedenen Teilen und Marmorarten. Die Inschrift am Fuß lautet „PPPN BDI IV 1732”, das heißt „Petrus Pfeiffer Pastor Nordenstadtensis Baptisterium Domini Instituit, errichtete den Taufstein des Herrn im Jahr 1732”. Der Altar besteht aus marmoriertem Stuck, die Altarplatte dagegen aus Marmor. Er zeigt als goldenes Symbol den Kelch, das Kreuz, den Palmzweig und die Hostie. An der Decke über dem Altar ist ein Früchtekorb aus Stuck zu sehen, aus dem eine Weintraube herabhängt. Die Weintraube war das Erkennungszeichen, dass es sich um eine Gemeinde mit Weinanbau handelte.
Die eindrucksvolle Christusfigur am Kreuz, vermutlich um 1700, der Körper mit den vielen Wunden fordert Mitleid. Das Kruzifix ist der schönste und wertvollste Kunstgegenstand der Kirchengemeinde.
Die Brüstungsbilder unter der Orgel sind auf gehobelte Fichtenholzbretter gemalt und bald nach 1738 entstanden. Sie stellen musizierende Menschen und Engel mit alten Instrumenten sowie Szenen aus dem Alten Testament um König David dar.
Die Kassettendecke aus der Zeit des Klassizismus um 1823 zeigt 380 Kassetten mit zwei unterschiedlichen Blüten und einem goldenen Stern in der Mitte. Wenn abends in der Kirche Licht brennt, leuchten die goldenen Sterne an der Stelle auf, unter der man steht. Die Jahreszahl der Renovierung der Kassettendecke steht über der Kanzel und ist nur von der Empore aus zu sehen.
Die Orgel ist eine frühromantische Orgel von 1886 im Originalzustand. Zwei Manuale und Pedal, 20 Register, mechanische Kegelladen, 1129 klingende Pfeifen, Tonumfang der Manuale: 54 Töne C bis f3, Tonumfang des Pedals: 27 Töne C bis d1. Das Hauptwerk hat zehn Register, das Oberwerk hat sechs Register und das Pedalwerk vier Register. Die Länge der Pfeifen reicht von circa 1 cm (höchste Pfeife der Cornett-Mixtur) bis circa 480 cm Körperlänge (tiefster Ton des Violon 16).
Der Epitaph von 1767 ist von Johann Daniel Schnorr für die ehemals im Junkernhof ansässige Familie Lersner geschaffen worden. Viele Wappen sind zu erkennen: zum Beispiel die drei Lilien, ursprünglich französisch, jetzt auch das Stadtwappen von Wiesbaden, links unten eine Kirche, dem Umriß nach kann es sich um die Nordenstadter Kirche handeln, jedoch mit der alten, kleineren Turmspitze.
Das große Gemälde - vermutlich Anfang des 18. Jahrhdts. entstanden - zeigt Maria bei der Beweinung ihres Sohnes.
Die Kirchenbänke zeigen die Schlichtheit einer ländlichen Kirche und der Farbanstrich harmoniert mit der Brüstungsund Säulenbemalung. Die Einteilung der Bänke war früher festgelegt. Die Mädchen saßen vorne rechts, die Jungen vorne links, die Jungfrauen hinten links, die verheirateten Frauen in der Mitte, die Witwen auf den hinteren Bänken, die ledigen Mütter ganz hinten rechts letzte Bank, die Männer auf der Empore und dabei die Jungmänner in der hinteren Bankreihe.
Im Turmzimmer sind eine romanische Nische mit Rundbogen und zwei Fenster mit Kleeblattrosette aus der Übergangszeit von der Romanik zur Gotik zu sehen. Im Turm befand sich vor dem Türdurchbruch nach außen ein drittes Fenster. Drei Öffnungen in der Decke des Turmzimmers, früher für die Glockenseile, als die Glocken noch von Hand geläutet wurden.
Das Turmgeläute besteht aus drei Glocken. Diese tragen folgende Inschriften: Die große Glocke „Deum rogo. Vivos vogo. Mortuos Plango.” (Gott bitte ich. Die Lebenden rufe ich. Die Toten beklage ich). Die mittlere Glocke „Nach einer Zeit gegossen, da viele Tränen geflossen, bitt ich Gott um bessre Zeit. Und für alle um die Seligkeit”. Die kleine Glocke „Den 1914-18 gefallenen Helden zum Gedächtnis. 1. Johannes 3,16 . Wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen”. Diese Glocke wird zum Vaterunser und bei Beerdigungen geläutet.
Auf der westlichen Ecke des Kirchendaches befindet sich ein vergoldetes Kreuz mit Kugel im Barockstil.
Bemerkenswert ist außen über dem südlichen Haupteingang ein eingemauerter gotischer Schlußstein, so die frühere Deutung, mittlerweile jedoch ist man sicher, dass es sich um ein mittelalterliches Fensterteil handelt mit dem Christussymbol A und O. Die Stützpfeiler mit den Sandsteinabsätzen am Kirchenschiff und Chor sind weitere gotische Stilelemente.
Der markante Turm besitzt eine barocke Zwiebelhaube mit offener Laterne (ähnlich der in Wallau). Vor der Kirche lag früher der Friedhof, hier steht noch ein altes Grabkreuz aus Gusseisen mit den Symbolen für Glaube, Hoffnung und Liebe (Kreuz, Anker, Herz). Am östlichen Teil des Kirchhofs befindet sich ein Kriegerdenkmal aus Sandstein, errichtet nach dem Krieg 1870/71.
Das Pfarrhaus wurde 1833 von dem Architekten Faber erbaut. Es ist eines der schönsten und größten Pfarrhäuser der Umgebung. In ihm befinden sich die Pfarrerwohnung, das Gemeindebüro, die Diensträume und der Übungsraum der Band. Zum Pfarrhaus gehören die Seitengebäude, die früher Scheune und Stall des Pfarrgutes waren und die 1953 und 1957 umgebaut wurden. Der 1953 gegründete ev. Kindergarten (heute Kindertagesstätte) befindet sich seitdem in dem linken Nebengebäude; in dem rechten Nebengebäude befinden sich Bodelschwinghsaal, Jugendraum und Küche.
Geschichte aus der 275-Jahr Festschrift Das Kreuz in unserer Kirche von Edith Nicol
Das große Kreuz mit dem fast lebensgroßen Christus empfand ich als Kind unheimlich, es machte mir Angst. Das wir Kinder immer in den vorderen Reihen saßen, erschien das Kreuz noch größer, ja fast bedrohlich. Diese Empfindungen hatten sicherlich auch etwas mit einer Kindheit im Krieg zu tun. Wir waren ja ständig mit dem Tod konfrontiert - er war allgegenwärtig, auch in meiner Familie. Dieser gekreuzigte Christus mit seinem verwundeten Körper und dem schmerzvollen Antlitz spiegelte das ganze Leid dieser Kriegs - und Nachkriegszeit wider. Im Kindergottesdienst und später im Konfirmandenunterricht erfuhren wir von unserem damaligen Pfarrer Hans Keller mehr über die Bedeutung und den Sinn dieser Darstellung, er hatte immer ein offenes Ohr für unsere Sorgen und Nöte. In späteren Jahren, als ich mich mit dem Kirchengebäude und den Kunstwerken befasste, erfuhr ich aus einem Gespräch mit Pfarrer Axel Junghans und aus Unterlagen, dass es sich bei dem Kruzifix vermutlich um eine außergewöhnliches Kunsthandwerk handeln dürfte. Frank Schmidt, der 1993 seine Doktorarbeit über "Kirchenbau und Ausstattung in der Landgrafschaft Hessen-Nassau in der Zeit vor der Reformation bis 1803" schrieb und in diesem Zusammenhang auch unsere Kirche besuchte, kam zu folgender Überzeugung oder Feststellung: Dieses Kruzifix dürfte aus der nachreformatorischen Zeit stammen, etwa um 1575 und denkbar aus der Schule des bekannten Mainzer Bildhauers Hans Backoffen (dieser lebte zur Zeit Luthers). Wenn diese Vermutung stimmen sollte, dann enthält unsere Kirche damit einen besonders wertvollen Kunstschatz. Diese Vermutung möchte ich bekräftigen, denn ich habe mir daraufhin Christus-Darstellungen im Raum Rhein- Main und Rheingau angesehen, die ähnliche Merkmale aufwiesen.
Woher stammt das Grabkreuz?
"Vor der Kirche lag früher der Friedhof, hier steht noch ein altes Grabkreuz aus Gusseisen mit den Symbolen für Glaube, Hoffnung und Liebe(Kreuz, Anker, Herz)." Wie kam unser kleines Dorf in den Besitz dieses großen Kreuzes und wo stammt es her???
Wer uns bei diesem Rätsel helfen kann, findet viele Zuhörer.