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das Kirchgebäude in Nordenstadt

Außer der Tatsache, dass bereits vor etwa 1000 Jahren vermutlich eine Kirche in Nordenstadt gestanden hat, ist aus den alten Zeiten wenig über deren Entstehung und Geschichte bekannt. Die Vermutung liegt nahe, dass die Kirche von Mainz aus gegründet wurde, zunächst als Kapelle. Das Bild des Bonifazius im Gerichtssiegel des Ortes bis ins 18. Jahrhundert gibt dieser Vermutung einige Kraft. Die Kirchen der Herrschaft Eppstein standen unter dem Archidiakonat St. Peter extra muros (= außerhalb der Mauern) zu Mainz. Gottfried IX. von Eppstein--Münzenberg verkaufte 1492 die Hälfte von Burg und Stadt Eppstein an Wilhelm II. von Hessen. Dazu gehörte Nordenstadt sowie Anteile am Ländchen. Nach Nordenstadt waren bis 1491 eingepfarrt Medenbach mit Costloff, einem im Dreißigjährigen Kriege ausgegangenen Dorfe, sowie Wildsachsen, in dessen Kapelle heute noch die alte Nordenstädter Orgel benutzt wird. Von 1592 bis 1786 gehörte der Mechthildshäuser Hof kirchlich zu Nordenstadt, welcher in katholischer Zeit eine eigene Kapelle besaß.

Die Reformation fand im Ländchen ums Jahr 1530 Eingang. Damals war Göckel der erste evangelische Prediger in Nordenstadt. Die aus vorreformantischer Zeit stammende Kirche wurde weitergenutzt. Inwieweit bauliche Veränderungen stattgefunden haben, ist nicht mehr festzustellen. Der Dreißigjährige Krieg brachte auch über das Ländchen viel Not und Elend. Ein Eintrag aus 1645 im ältesten Kirchenbuch lautet: „Seind auß hehre Nothurfft auf d. heilige Christfest specificirte kinder zu Nordenstatt confirmirt worden, weil wir wegen kriegsläufften nitt (haben) auff d. h. pfingstfest zu Hauß sein können”.

1649 wurde die durch Brand zerstörte Kirche wieder aufgebaut. Graf Johann von Hessen-Braubach erließ dazu von Braubach aus am 6. November 1649 folgende Verfügung: „Wir sind berichtet worden, wie ihre Kirche daselbst bei den bisherigen bösen Kriegszeiten durch Brand und Verwüstung in merklichen Unbau gekommen und die Gemein deswegen entschlossen, Gott dem Allmächtigen zur Ehr und zur Fortpflanzung seines Wortes dieselbe wieder zu Bauen. Da aber dasselbe Werk ohne Hülf und Steuer frommer Christen zu vollführen ihnen unmöglich, so haben Sie um gnädigen fürbittlichen Hülfbrief zu glaubhafter Anhörung ihres Vorhabens gebeten.” Diese wohl wegen Mangels an Geld nur notdürftig erneuerte Kirche diente ihren Zwecken bis zum Frühjahr 1718, also nur 68 Jahre, und wurde dann, weil sie viel zu klein und auch „gar baufällig und elendt” geworden war, unter teilweiser Verwendung der alten Fundamente durch einen Neubau ersetzt. Der Neubau wurde in mehreren Zeitabständen durchgeführt und 1738 mit der Fertigstellung des Turmes vollendet. Die Turmhöhe beträgt heute vom Sockel bis zur Spitze 40 Meter.

Nachdem 1802 die beiden großen Glocken gesprungen waren, wurde das ganze Geläute umgegossen und am 25. November wieder erstmalig benutzt. Am 24. Juli 1819 schlug der Blitz erneut in den Kirchturm, zerstörte das Dach, beschädigte die Uhr und fuhr an beiden Seiten der Mauer herunter in die Erde, ohne zu zünden. 1823 wurde die Kirche innen durch Quadrater Walther von Wiesbaden mit einem neuen Gewölbe und einem schönen lichtblauen Anstrich versehen. Der Außenverputz wurde 1826 erneuert, 1856 das Kircheninnere wieder neu gestrichen. Die letztere Arbeit wurde im Jahre 1885 wiederholt. 1859 wurde eine neue Uhr mit vier Zifferblättern beschafft; die Kosten beliefen sich auf 400 Gulden. Zwei Jahre später wurde an der Nordseite des Turmes eine Tür gebrochen - vorher war der Turm nur durch die Kirche zugänglich. Im folgenden Jahr wurden Turm und Schiff der Kirche neu verputzt, gleichzeitig wurde ein Blitzableiter angebracht; die gesamten Kosten betrugen 1179 Gulden 51 Kreuzer.

Das Ereignis des Jahres 1886 war die Beschaffung einer neuen Orgel, die am 12. Februar feierlich eingeweiht wurde. Sie ist das in jeder Hinsicht wohlgelungene Werk des Orgelbaumeisters Voigt in Igstadt. Die alte Orgel wurde der Gemeinde Wildsachsen zum Geschenk gemacht. 1897 im Herbst, nachdem im Frühjahr Pfarrer Heyne eingeführt war, erfolgte wieder ein Neuverputz von Turm und Kirche; dem Kirchenfonds entstand damals die sehr hohe Ausgabe von etwa 2500 Mark.

In vieler Erinnerung ist noch der 16. Juni 1917, der Tag, an dem die beiden großen Glocken vom Turm heruntergeholt wurden, um für Kriegszwecke Verwendung zu finden. Pfarrer Heyne schrieb damals einen erschütternden Bericht in die Kirchenchronik und bezeichnet jenen Tag als einen der traurigsten seines Lebens. Einige Sätze seien hier wiedergegeben: „Um halb acht Uhr wurden die Glocken ihrem Ton nach a-h-g jede für sich und dann zusammen zum Abschied geläutet ... Allen ging es tief ins Herz. Die Glocken wurden in 257 Stücke zerschlagen. Der Erlös betrug 4483 M.” Am 8. Juli 1923 wurden drei neue Glocken geweiht; sie wurden von der Firma Schilling und Lattermann in Apolda aus Stahl gegossen.

Die noch vorhandene kleine Bronzeglocke des alten Geläutes wird nur bei besonderen Anlässen benutzt; ihr Ton ist der Harmonie der neuen Glocken nicht angepasst. Die im Kriege ebenfalls abgelieferten Prospektpfeifen der Orgel wurden 1924 durch neue ersetzt.

Zum Schluss ist noch aus der jüngsten Vergangenheit zu berichten: 1934 wurde das Innere der Kirche mit einem Kostenaufwand von über 4000 Mark wiederhergestellt und 1936 dem Turm ein ganz neues Kleid gegeben. Zum Jubiläumsjahr haben dann auch Chor und Schiff der Kirche einen neuen Verputz erhalten. Außerdem wurden die Dächer instandgesetzt und die Kändel erneuert. Die Zugangswege zur Kirche wurden ausgebessert und ein entbehrlicher Kamin niedergelegt.

So stellt sich die Jesuskirche von Nordenstadt, im Jahre 1738 vollendet, zweihundert Jahre später in einem ganz neuen Gewand vor.

Quelle: 250 Jahre Evangelische Kirche Nordenstadt, 28. August 1988, S. 13-17 in Auszügen.

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